E-Mobilität – das Experiment

E-Mobility Tesla Model 3 - Dark Blue

Im Spätherbst 2019 erhielt ich die Möglichkeit ein Elektrofahrzeug während einer Woche zu testen. Hintergrund dieses Experimentes war die Diskussion rund um den Umstieg zur E-Mobilität.

Über diese anstehende Veränderung in der Mobilität darf man durchaus geteilter Meinung sein. Soll man auch! Es sind noch lange nicht alle Fragen geklärt.

Persönlich sehe ich durchaus veritable Chancen in diesem Thema; mehr für unsere Wirtschaft als für unseren relativ bescheidenen Einfluss auf das Weltklima. Im Zentrum sehe ich neue Geschäftsmodelle und die lokale Wertschöpfung. 

Meine Bedenken und Vorurteile

Der möglichst rasche Ausstieg aus der fossilen Energie ist allgegenwärtig. Doch ist man sich den Konsequenzen bewusst? Welche Nachteile bringt ein solcher Schritt mit sich? Welche Kompromisse müssen wir bereit sein einzugehen?

Vorurteil 1: “Machen Elektroautos Spass? Ohne auditives Feedback fehlt das Fahrgefühl!”

Mit Bezug zu Motorsport stellte sich mir diese Frage natürlich relativ schnell. Motoren müssen hör- und spürbar sein, sonst macht ein Fahrzeug keinen Spass. Wer in einem “E-Sportler” mal kurz Gas gibt wähnt sich auf Europaparks Rollercoaster ‘Bluefire’! Da man sich grundsätzlich an die Verkehrsregeln zu halten hat, möchte ich an dieser Stelle auf das Thema der Beschleunigung nicht näher eingehen. Nur so viel sei gesagt: Wenn der Spassfaktor bei einem Serienfahrzeug schon so gross ist, verstehe ich jeden Formel-Rennfahrer, der in die Formel-E wechselt!

geben: ein ständiges Hintergrundgeräusch fehlte mir anfangs tatsächlich… während en ersten 200 Metern! Die Sitation, zu Fahren ohne Geräusch, kann irritierend wirken. Je nach Elektrofahrzeug kommt man dafür in den Genuss einer klaren und kraftvollen Musikanlage. Während ich bei meinem eigenen Dieselfahrzeug eher Radio höre, lief während der Testwoche konsequent nur Spotify – Musik ohne gesprochene Unterbrechungen. Ein Genuss!

Wer einen gewissen technischen Bezug und Freude an “Gadgets” hat, kommt bei den meisten E-Autos voll auf seine Kosten. Je nach Hersteller werden hier die Möglichkeiten bis ins grenzenlose ausgeschöpft. Das ständige vorhanden sein von genügend Strom – ohne laufenden Motor – bietet den Herstellern ganz neue Möglichkeiten wie zbsp. Vorklimatisieren, Fahrzeug heranholen ohne Fahrer, Cinema-Modus für das Warten im geparkten Fahrzeug, Wächtermodus und vieles mehr …

“Ständiges vorhanden sein von genügend Strom …” – stimmt das wirklich? Kommen wir zum nächsten meiner Vorurteile.

Vorurteil 2: “Die Reichweite reicht für den täglichen Bedarf vermutlich nicht aus.”

Zur Reichweite gibt es sehr unterschiedliche Zahlen. Zwischen 200 und 600 Kilometer Reichweite findet man bei den aktuellen Modellen alles. Die genannten Reichweiten werden jeweils nach WLTP angegeben. WLTP steht für “Worldwide Harmonised Light Vehicle Test Procedure” und definiert Testststandards zur harmonisierten Messung von Energiebedarf eines Fahrzeuges. Somit haben wir auch hier eine Angabe, welche nur unter klaren Testkonditionen zustande kommt. “WLTP” ist zwar nahe am realen Fahrverhalten angelehnt, kann jedoch nicht 1:1 so übernommen werden. Während meiner Testwoche bei ständig kaltem und nassem Wetter musste ich mich mit rund 480km anstatt den angegeben 560km zufriedengeben. Wer den Innenraum wärmer haben möchte, braucht mehr der Akkukapazität für die Klimatisierung und muss weitere Abstriche machen. Den passiven Einfluss des kalten Wetters auf die Kapazität des Akkupacks sind im Vergleich zu den Verbrauchern (Sitzheizung, Handy-Dock, Entertainment-System, Heizung etc.) vermutlich zu vernachlässigen.

Vorurteil 3: “Das Ladenetz ist noch nicht dicht genug?”

Die Anzeige der ziemlich genauen Restreichweite wirkt wie ein Kilometer-Countdown und stellt für den ungeübten Strom-Chauffeur einen gewissen Stressfaktor dar! Zwar kennt man aus den Verbrennern die Treibstoffanzeige auch; und selbst diese sinkt während der Fahrt kontinuierlich. Allerdings kennt man nach 23 Jahren Fahrpraxis die unzähligen Möglichkeiten diesen Treibstoff zu “erneuern”. Die Lademöglichkeiten und Prozesse hingegen sind Neuland. Diese sind regional unterschiedlich dicht gesät! In der Region Bern stehen unzählige Lademöglichkeiten zur Verfügung und es ist beinahe unmöglich mit leerer Batterie stehen zu bleiben. Selbst ohne Heimstation kommt man im normalen Pendlerverkehr sehr gut durch den Tag oder gar durch die Woche. Aber Achtung: wer seinen Akku schonen will, fährt diesen nicht unter 15-20% und lädt diesen nicht über 80-85%! Ist ein grosser Trip geplant, können diese Werte natürlich durchaus überschritten werden. Die meisten Akkupacks ertragen dies locker und nehmen keinen Schaden. Wichtig ist lediglich, dass der Akku nicht auf 100% geladen wird und der Trip erst 1-2 Tage später startet. Besser ist es, man plant das Vollladen in die Fahrt mit ein. Ebenfalls kann mit einem Elektrofahrzeug mit voller Batterie nicht mehr rekuperiert werden. Mehr dazu später.

Anzumerken ist ebenfalls, dass ein Ladevorgang trotz Schnellladung wesentlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als ein befüllen des Diesel- oder Benzin-Tanks! Je nach Lade-Modus sind die Standzeiten stark unterschiedlich. Während an Schnellladern mit Gleichstrom ein grosser Akku bereits in 20 Minuten voll respektive auf die schonenden 80% geladen ist, kann ein Aufladen mit Wechselstrom 2-4 Stunden dauern. An Haushaltsdosen sind durchaus mehr als 24 Stunden einzuplanen. Diesen Nachteil kann man mit entsprechender Organisation sehr gut umgehen. Wer selbstständig ist oder auch in einem mobilen Büro seine Arbeit erledigen kann, wird von den Wartezeiten nicht beeinträchtigt sein. Ein Runterfahren bis die rote Lampe brennt ist allerdings nicht mehr zu empfehlen. Das Laden sollte bewusst als geplanter Event wahrgenommen werden.

Zur “Rekuperation”: In der Szene der e-Mobilität hört man oft die Frage “Bremst Du noch oder rekuperierst Du schon?”. Rekuperieren nennt man den Vorgang, bei dem das Fahrzeug seine Batterien selbst lädt. Jedes Mal, wenn man das Gaspedal – Verzeihung! – das Fahrpedal (Umgangssprachlich auch “Spasspedal” genannt) loslässt, beginnt der Elektromotor Strom zu produzieren und funktioniert in diesem Moment ähnlich wie ein Fahrraddynamo. Dies hat zwei Effekte zur Folge: das Fahrzeug verzögert selbstständig und lädt mit dem gewonnenen Strom die Akkupacks. Man spricht hier auch vom “Ein-Pedal-Fahren”. Innerorts und mit entsprechender Weitsicht beim Fahren kommt man durchaus ohne ein einziges Mal das Bremspedal zu betätigen aus! Die Bremsleuchten werden dabei natürlich durch die Software aktiviert. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Hersteller diese Funktion unterschiedlich effizient umgesetzt haben. Zu meinem Testfahrzeug gibt es Testberichte, in welchen von Passabfahrten die Rede ist, ohne ein einziges Mal die Bremsen benutzt zu Haben. Messungen ergaben dabei, dass der mehrverbrauchte Strom durch die Auffahrt, komplett durch Rekuperation während der Abfahrt zurückgewonnen wurde. Der Verbrauch lag danach wieder im Schnitt aus einer Autobahnfahrt im Flachland. 

Vorsicht gilt beim Umstieg auf ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor: verlässt man sich aus Gewohnheit auf die Rekuperation, so rollt man bei kriechendem Verkehr dem vorderen Fahrzeug ins Heck! Ebenso ist ein Rekuperieren mit vollem oder sehr kaltem Akku nicht möglich, da der erzeugte Strom keinen Abnehmer findet. Je nach Akkumanagement kann in kaltem Zustand (erste paar Minuten nach Fahrtantritt an kalten Wintertagen) der Akku nicht effizient geladen werden. Das Auto zeigt diesen Umstand je nach Implementation mittels einer Warnung an. 

Vorurteil 4: “Elektroautos sind teuer in der Anschaffung”

Auf den ersten Blick stimmt diese Aussage noch immer. Sogenannten EV’s (Electrovehicle) sind leicht teurer in der Anschaffung obwohl sie dank der tieferen Komplexität vermutlich per se günstiger sind in der Herstellung. Im Unterhalt kompensiert man diese Kosten allerdings, da der “Treibstoff” mit rund 30-50% wesentlich günstiger ist. Ebenso sind die Unterhaltskosten in Service und Reparatur wesentlich tiefer. Es gibt nur noch einen Baustein, der als Kostentreiber zu identifizieren ist: der Akkupack! Die meisten Hersteller bieten hier aber Mietmodelle oder eine sehr ausgeprägte und kundenfreundliche Garantieleistung. Die Erfahrungen haben allerdings auch gezeigt, dass diese Batterien wesentlich toleranter sind als befürchtet. Hierzu tragen die effizienten Management-Systeme ihren Teil bei. Ein Getriebe und eine Kupplung kennen Elektrofahrzeuge nicht. Gar die Bremsen erfahren je nach Fahrstil deutlich weniger Abnutzung. Generell sind alle verbauten Teile einer tieferen Belastung ausgesetzt. 

Was hier als grosser Vorteil für die Fahrenden von EV’s beschrieben ist, wird die Branche jedoch auch vor entsprechende Herausforderungen stellen: es wird kaum mehr gleich viele Aufträge für lokale und kleine Garagen-Betriebe geben. Die Anforderungen an Mechatroniker werden sich massiv ändern.

Weitere Artikel zum Thema werden folgen!

Dieser Artikel sollte jedem Interessierten an der E-Mobilität erstmal die Angst nehmen. Zar gilt es einiges zu bedenken und beachten, da man das Fahren mit einem EV und einem Verbrenner nicht vergleichen kann. Je nach Marke des Elektrofahrzeuges steckt mehr oder weniger Technologie im Auto und man kann schon fast von einem “Tablet mit Rädern und Transportfunktion” sprechen!

In weiteren Artikeln werde ich auf Auswirkung und Chancen rund um die Energieversorger, Wirtschaft eingehen und Lademöglichkeiten zu Hause und unterwegs erörtern. Ebenso versuche ich Informationen zum Thema Umweltbelastung durch die Herstellung Entsorgung der Batterien zusammenzutragen. Erste Überraschungen habe ich hierzu ebenfalls bereits erleben dürfen. Soviel sei gesagt: die Belastung ist nicht mal halb so schlimm wie befürchtet!

Wer gerne einmal ein Elektrofahrzeug testen möchte, findet unter folgendem Link entsprechende Möglichkeiten in der Region Bern.

https://www.miets.ch/index.aspx

Falls gar ein solches Fahrzeug angeschafft werden sollte; und dies per Zufall auch noch ein Tesla sein sollte, so würde ich mich natürlich freuen, wenn die Bestellung über folgenden “pfehlungs”-Link getätigt würde. Dem Käufer winkt dabei für die ersten 1500 Kilometer Gratis-Laden an den schnellen Tesla-Superchargern zu. Mir als “Empfehlungsgeber” natürlich auch 😉

https://ts.la/roger56235